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Geschichte, Landwirtschaft und Rebbau

Vom Ried zum Ackerland
Einer Urkunde aus dem Kloster Ittingen ist zu entnehmen, dass im Seebachtal ab 1742 die Weide- und Streunutzung durch den Torfabbau ergänzt wurde. Dieser wurde als Dünger oder als Brennmaterial benutzt, waren die Wälder im 18.Jh. doch in einem sehr schlechten Zustand, so dass der wachsende Holzbedarf nicht mehr gedeckt werden konnte. Bevor aber Torf abgebaut werden konnte, mussten die Parzellen zuerst entwässert werden; dies erfolgte meist durch Stichgräben in den Seebach. Durch die erste Seebachkorrektion in den Jahren 1857-1862, bei der 3800 Meter Gräben erstellt wurden, wurde nicht nur die Torfnutzung erleichtert, sondern auch zusätzliches landwirtschaftliches Kulturland gewonnen. 1911 wurde der Seebach ein zweites Mal abgesenkt.

Während des Ersten Weltkrieges und kurz danach waren Lebensmittel und Brennmaterialen knapp. So wurde der Torfabbau intensiver betrieben, wodurch der Reichtum an Pflanzenarten stark zurück ging. In jenen Jahren wurden sogar in Herdern alte Braunkohlevorkommen abgebaut. Der erste Transport thurgauischer Kohle ging am 7. Februar 1917 zur Verhüttung nach Kallnach im Kanton Bern.

In der Notzeit des Zweiten Weltkrieges wurde 1943 vor allem im Vierundzwanziger-Riet („In kurzen Teilen“) der Torfabbau nach einem industriellen Konzept wieder aufgenommen. Grosse Maschinen der Firma Saurer und Rollwagen erleichterten die Arbeit. Noch heute heisst der Weiher in der Nähe des Baches, der den Nussbaumersee mit dem Hüttwilersee verbindet, “Saurerloch”.

Während des Zweiten Weltkrieges wurden im Zusammenhang mit der “Anbauschlacht” von Bundesrat Wahlen umfangreiche Meliorationsarbeiten durchgeführt. Als Erstes musste der
Seebach um ca. 1.60 Meter abgesenkt werden. Diese Arbeiten dauerten von 1943 bis 1944.
Weil der Seebach dann vom See bis zur Strasssenbrücke östlich von Hüttwilen ein Gefälle von nur noch 0,4 Promille hatte, musste das Bachbett mit einer Sohle aus Tannenbrettern ausgelegt werden. Nebst der Absenkung des Seebaches wurden über 4000 Meter Entwässerungskanäle und -gräben erstellt. Dadurch konnten ca. 200 Hektaren Kulturland gewonnen werden.

Im Anschluss an die Melioration wurde die Güterzusammenlegung durchgeführt. Zwischen 1945 und 1950 entstanden die Siedlungen Sonnenhof, Seehof, und die Höfe Helfenberg.
Auch die Badi Hüttwilen erlebte durch die Seeabsenkung eine Veränderung. Das Wasser reichte bis wenige Meter vor das Gebäude, und die heutige Liegewiese war noch Wasser- oder Moorgebiet. Apropos Badi: Das Umkleidehaus wurde 1931 gebaut, wobei die Kuranstalt Steinegg einen Drittel der Kosten übernahm. Bis 1943 waren Männlein und Weiblein durch eine Bretterwand, die bis weit ins Wasser hinaus reichte, strikte getrennt; es wird aber gesagt, die Hüttwiler Knaben hätten schon gewusst, wo sich die grössten Astlöcher befanden ...

1991 wurde eine von 17’000 Personen unterzeichnete Petition zur Sanierung des Hüttwilersees und des Seebachtales eingereicht. Die im Jahre 1994 gegründete Stiftung Seebachtal setzt sich zum Ziel, die natürliche Artenvielfalt, die Lebensräume der einheimischen Tiere und Pflanzen und die naturnahe Kulturlandschaft rund um die Seen zu erhalten oder wieder herzustellen. Durch den Ankauf von rund 60 Hektaren Land konnte eine wirkungsvolle Renaturierung erreicht werden. Schon 1968 wurden Biber angesiedelt, deren Spuren in den ufernahen Gebieten nicht zu übersehen sind. Um die Wasserqualität im See zu verbessern, wird seit einigen Jahren künstlich Tiefenwasser in den Seebach abgeleitet.
So dürften sich auch in Zukunft viele Naturfreunde, Sportler und Erholungsuchende in diesem Naturschutzgebiet von nationaler Bedeutung erfreuen.

Rebbau
Es mag etwa um 800 gewesen sein, als bei uns die Rebe ihren Einzug hielt und neben dem Ackerbau auf Jahrhunderte die Hauptbeschäftigung werden sollte. Für Stammheim werden nämlich urkundlich erstmals im Jahre 834 Reben erwähnt, und so darf man annehmen, dass sie auch bei uns angebaut wurden. Die Kartause Ittingen spielte über lange Zeit ein führende Rolle im Weinhandel; bis weit nach Süddeutschland reichte ihr Absatzgebiet. Die riesigen Gewölbekeller im Klostergebäude erinnern heute noch an jene Zeiten. Auf Karten aus dem 19. Jahrhunderts kann man erkennen, dass von Stammheim bis Herdern praktisch jeder geeignete Südhang ein Rebberg war. In unserer Gemeinde waren das die Hänge von Seeben, Steinegg, Halde, Lussi, Isenbühl, Kawazen, Guggenhüsli, Hagschnurer, Wuli, Stadtschryber und Breiti. 1854 betrug die Fläche der Rebberge in Hüttwilen ca. 85 ha, heute sind es ca. 18 ha. Die Weine aus unserer Gegend waren sehr beliebt, so wurde z.B. im Zürcher Bahnhofbüffet “Rauspfeiffer”, in den Speisewagen der SBB und bei der Swissair “Stadtschryber” serviert.

1975 bot die Schweizerische Speisewagengesellschaft sogar ein “Hüttwiler Schweinsvoressen” an, zu dessen Zubereitung pro Person 0,4 Deziliter Hüttwiler Wein gehörte. Der falsche Mehltau und die Reblaus, aber auch vermehrte Importe von billigen Weinen, vor allem aus dem Südtirol, bewirkten gegen Ende des 19.Jahrhunderts einen gewaltigen Rückgang des Rebbaues. Emil Wüger berichtet in seiner Dorfchronik über das Jahr 1931, dass es bei uns nur noch 2,5 Jucharten (=0,9 ha) Weinberge gegeben habe, also noch rund 1% von der ursprünglichen Fläche. Von diesen 2,5 Jucharten konnten rund 4500 Liter Wein hergestellt werden, was ca. 0,5 lt. pro Quadratmeter entspricht. In den 30er-Jahren ging es dann wieder aufwärts. 1934 wurde in Hüttwilen die Rebkorporation gegründet und der Rebhang des “Stadtschrybers” wurde neu bepflanzt. Die Bezeichnung “Stadtschryber” besteht übrigens schon seit 1835. Damals war tatsächlich der Stadtschreiber, resp. der “Unterschreiber” der Stadt Frauenfeld Besitzer einer Rebparzelle.
Noch bis in die 70er-Jahre hatte der “Hüttwiler“, generell die sogenannten Landweine, keinen besonders guten Ruf, sie galten als sauer. Und das waren sie zum Teil auch. So musste man sich anfangs der 60er-Jahre beim Rotwein mit 67° Öchsle begnügen. Bis ca. 1960 wurde im Dorf selber gekeltert. Der Wagenschopf bei der Verzweigung der Strassen nach Nergeten und Horben ist eine alte Trotte, die 1743 bereits bestand und bis 1912 in Gebrauch war. Auch die Gastwirte in der “Sonne” und im “Adler” verfügten über Trotten und stellten Wein für ihren Eigengebrauch her, arbeiteten aber auch als Lohnbetriebe für die anderen Rebbauern.

Die heutigen Weine, die regelmässig mit Medaillen ausgezeichnet werden, sind von hervorragender Qualität. Unter der Zusatzbezeichnung “Stadtschryber”, “Guggehüsler”, “Lebenstrunk”, “Römerhof”, “Steinegger-Rai” und “Seehalde” werden sie von den Produzenten zum Teil selber vermarktet.


Landwirtschaft und Handwerk
Die meisten Hüttwiler waren Kleinbauern mit ein paar Stück Vieh im Stall. Das genügte in den wenigsten Fällen zum Lebensunterhalt. So übten viele nebst der Landwirtschaft noch ein Handwerk aus. Folgende Handwerker sind im 19./20. Jahrhundert in Hüttwilen bezeugt:
Abdecker (Schinder), Bäcker, Dachdecker, Dreher und Gabelmacher, Drescher, Fischer, Hafner, Käser, Kessler, Krämer, Küfer, Kupferschmied, Lismer, Maurer, Metzger, Müller, Sattler, Mauser, Rebmann, Schlosser, Schmied, Schnapsbrenner, Schneider, Schreiner, Schuhmacher, Sticker, Wachszieher, Wagner, Weber, Zimmermann. Im 19. Jahrhundert war die Stickerei ein bedeutsamer Erwerbszweig. Stickereilokale gab es u.a. im Althus und im Hofacker. Die Fertigprodukte gelangten nach Herdern und von dort aus in alle Welt.

Heute existieren noch ein knappes Dutzend Landwirtschaftsbetriebe. Viele Einwohner von Hüttwilen arbeiten im Gewerbe und im Dienstleistungssektor, sei es im Ort, in der Region Frauenfeld oder im angrenzenden Kanton Zürich.